… soll ja in einer Woche bereits am Start sein. Gigantisch lesen sich die Zahlen der Netzerweiterung: Statt bisher bescheidenen 67 Kilometern Streckennetz soll es ab dem 12.12.2010 rund 224 km umfassen, drei neue Linienäste bieten (Richtung Erlangen, zusammengelegt mit bisheriger S1 Richtung Lauf zur neuen S1; S3 Richtung Neumarkt i.d. Opf.; S4 Richtung Ansbach) und eigentlich deutlich größeren Komfort durch die Ablösung der alten n-Wagen-Regionalbahn-Garnituren durch die neuen Talent-2-Züge aus dem Hause Bombardier. Nun, dass letzteres vorerst noch Zukunftsmusik bleibt, das ist ja schon seit dem Sommer klar. Die neuen Züge haben noch keine Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt, und selbst wenn sie diese haben, dann muss erst noch das Fahrpersonal geschult werden. Vor dem kommenden Sommer werden die Fahrgäste auf der S3 nach Neumarkt und der S4 nach Ansbach also weiterhin mit den alten Zuggarnituren leben müssen. Auf der neuen, langen S1 bekommt man immerhin Ersatzverkehr in Form von x-Wagen, was einem dann wenigstens ein gewisses S-Bahn-Feeling vermitteln wird. Wann genau die wirklich neuen S-Bahn-Züge dann kommen, das steht meines Wissens nach noch in den Sternen. Doch auch ansonsten muss man sich von den bombastisch erscheinenden Zahlen mal etwas distanzieren, um das „neue“ Nürnberger S-Bahnnetz beurteilen zu können…

Im erweiterten S-Bahnnetz soll es ja zukünftig statt 33 Stationen sage und schreibe 74 Stationen geben. Wenn man sich jedoch anschaut, wie viele neue – im Sinne von „bisher nicht an Regionalbahnstrecken existente“ – Haltepunkte es gibt, dann sieht die Bilanz eher mau aus. So soll es im Zuge des Netzausbaus, der sich ab der Eröffnung des Vorlaufbetriebs in der kommenden Woche noch über Jahre hinziehen wird, lediglich 6 (in Worten: sechs) solcher komplett neuen Stationen geben. Immerhin drei davon entfielen auf den Nordwestast der S1 Richtung Bamberg/Forchheim/Erlangen, wobei einer davon an der Erlanger Paul-Gossen-Straße zu finden sein wird, und in der ursprünglichen Planung je einer in Fürth-Stadeln und Steinach. Warum ich hier den Konjunktiv verwende? Weil zum jetzigen Zeitpunkt keine dieser Stationen vorhanden ist; und es angesichts des sich ziehenden Streits der Stadt Fürth gegen den sog. S-Bahn-Verschwenk durch das Knoblauchsland durchaus noch Jahre dauern kann, bis man auch nur einen dieser drei neuen Haltepunkte anfahren kann. Zu allem Überfluss ist der Bahnhof Vach, der im Zusammenhang mit dem Verschwenk ja irgendwann aufgelassen werden soll, bis Mitte kommenden Jahres auch nicht anfahrbar, da eine (provisorische) Umrüstung auf S-Bahn-Standard erst noch erfolgen muss. Für dortige Fahrgäste also erstmal Busersatzverkehr nach Erlangen und Fürth. Auch der Haltepunkt an der Rothenburger Straße in Nürnberg, einer der relativ wenigen Haltepunkte der S-Bahn auf dem zentralen Nürnberger Stadtgebiet, ist derzeit eine Großbaustelle und wird vorraussichtlich frühestens im April 2011 wieder angefahren werden können. Also auf der S1 Nordwest KEIN einziger der beiden geplanten Halte auf Nürnberger Stadtgebiet – die ja immerhin Verknüpfung zu U2/U3 und Straßenbahnlinie 4/6 herstellen – fertiggestellt, und im Gesamtsaldo der Astes Nürnberg Hbf – Forchheim/Bamberg zunächst mal sogar zwei Haltestellen weniger als bisher. Ganz große Kunst sieht anders aus…

Besser sieht es auf dem Ostast der S1 aus, der ja von Lauf (li. Pegnitz) weiter nach Hartmannshof verlängert wurde und dabei auch den neuen Haltepunkt Happurg spendiert bekam. Diese Verlängerung erscheint sinnvoll und wirklich auch gewinnbringend für den SPNV im Raum Nürnberg – eventuell kann eine solche Verlängerung auch Vorbild dafür sein, eine Stadt wie Georgensgmünd nachträglich an die Rother S-Bahn anzubinden; dies wäre, auf Grund des wirklich großen Fahrgastpotentials der Stadt und auch ihres Umlandes meines Erachtens nach ein sinnvolles Projekt für kommende Gedankenspiele zu einer Erweiterung.

Auf der künftigen S4, die die heutige Regionalbahnlinie R7 auf dem Streckenabschnitt bis Ansbach ersetzen wird, sieht es auch teilweise sehr fragwürdig aus, was uns da als „ganz große Kunst“ von der DB verkauft wird. Nachdem Anwanden seit Ende Juli vom Schienenverkehr abgeschnitten war, sollte sich das mit dem S-Bahnstart zwar jetzt ändern – mittlerweile scheinen die Bahnsteige fertig zu sein (laut dem Blog S-Bahnbau Nürnberg) – dafür ist Wicklesgreuth, immerhin Umsteigebahnhof zur kurzen Nebenbahn R71 nach Windsbach, eine einzige Baustelle, in der schon auch mal das Wasser knietief in die Gleisunterführung für Fußgänger eindringt. Bis dort alles soweit ist wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. Der aus Richtung Nürnberg geplante Haltepunkt vor Wicklesgreuth, „Petersaurach Nord“, existiert wie die drei Haltepunkte der S1 West ebenfalls nur auf dem Papier. Das einzige, was davon zu sehen ist, ist eine Zufahrtsstraße durch den Acker in Richtung Streckengleise. Das ist natürlich schade, denn dieser neue Haltepunkt böte die Chance die Ortschaften um Petersaurach mit einem großen P&R Parkplatz am Ortsrand gut an die neue S-Bahn anzuschließen, und eventuell durch einen vernünftig fahrenden (also mindestens einmal stündlich, im Berufsverkehr auch häufiger) Bus neben Petersaurach und den kleineren umliegenden Orten auch beispielsweise Neuendettelsau mit seinen zahlreichen Arbeits- und Schulplätzen bei der Diakonie Neuendettelsau so an den ÖPNV anzubinden, dass es sich für manch einen wirklich lohnen würde das Auto ganz stehen zu lassen.

Kleiner Exkurs dazu: Diese Option hat man de facto bisher nicht, weil die Nebenbahn R71 zwar eine nette Sache ist, aber eben an den Krankheiten vieler ähnlicher kleiner Nebenbahnen leidet: Stundentakt (besser als früher, aber eben trotzdem nicht gut genug, um eine wirkliche Alternative zum auf dem Land überproportional vorhandenen Auto darzustellen), Bahnhöfe, die das Siedlungsgebiet bestenfalls unzureichend erschließen und fernab der Ortszentren liegen, Umsteigezwang in Wicklesgreuth mit (besonders im Winter) oft unangenehm langen Wartezeiten. Bevor ich in Neuendettelsau 20 oder 30 Minuten zum Bahnhof laufe, oder aber 5 Minuten ins Auto steige und zum Bahnhof fahre, dann fahre ich doch lieber gleich nach Heilsbronn, was unwesentlich länger dauert, mich aber immerhin direkt an die S-Bahnlinie und sogar die Regionalexpressverbindung Nürnberg-Stuttgart bringt. Kein Wunder, dass so viele Nebenbahnen stillgelegt wurden – auch wenn man ohne ihre Stilllegung wenigstens noch die Chance hätte diese Nebenbahnen attraktiver zu gestalten und damit eventuell etwas zu bewegen, anstatt so viele heute nahverkehrslose Orte auf der Landkarte zu haben. Wenn man in Orten wie Neuendettelsau, Petersaurach und den umliegenden Gemeinden wirklich etwas am Nahverkehr verbessern wollte, dann böte sich mit der S-Bahn also durchaus die Möglichkeit, aber natürlich kosten vernünftige Busverbindungen Geld und ihr Erfolg ist auf dem Land alles andere als garantiert. Aber wenn man das nicht wenigstens probiert, braucht man auch nicht mit den schönen Worten „Umweltschutz ist unser Ziel“ hausieren gehen. Um solche Verbesserungen durchzuführen wäre aber vielleicht ein vom Bund unterstützer Modellversuch, bei dem viel Geld in das Umland von Großstädten und den dortigen Nahverkehr gepumpt wird, von Nöten, da ansonsten die finanziellen Mittel immer als Grund angegeben werden, solche Maßnahmen nicht durchzuführen. Erst wenn man einen solchen Versuch in beispielsweise drei Großstädten und ihrem Umland durchgeführt hat ließe sich beurteilen, ob das Land wirklich dem Nahverkehr abgeneigt ist, oder ob nicht die Massen an bildungsbürgerlichen Haushalten, die vor Jahr(zehnt)en aus der Stadt aufs Land geflohen sind und sich ja in vielen Fällen mit einem gewissen Öko-Bewusstsein schmücken, nicht doch tatsächlich öfter eines ihrer 2-3 Autos daheim stehen lassen würden, wenn es eine wirkliche Alternative gäbe. Leider weiß ich, dass das eine Utopie bleiben wird – warum sollte man so etwas auch tun, wenn man Millionen über Millionen in Abwrackprämien und Landesbanken-Rettungen investieren kann? So, sozialromantischer und sozialkritischer Exkurs Ende.

(Fortsetzung folgt)